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--> Einbettung in den Halbjahreskurs --> Konzeption der Unterrichtsreihe --> Anlass und Anliegen von De civitate dei --> Literatur --> Zu meiner Dissertation Einbettung in den HalbjahreskursIn der Unterrichtsreihe innerhalb des Halbjahreskurses Römische Staatsphilosophie soll das für die antike wie für die moderne Staatstheorie zentrale Kriterium der Gerechtigkeit am Beispiel des Imperium Romanum vorgestellt und untersucht werden – in der Selbstsicht und in einer spätantiken Kritik. Dabei ist zunächst nach der – bei Cicero kontrovers diskutierten – Notwendigkeit der Gerechtigkeit als Grundlage des Staates zu fragen. Von dieser Diskussion ist nur der Ausgangspunkt in dem Palimpsest, d.h. dem einzigen handschriftlichen Zeugen von De re publica, erhalten. Der Verlauf der Diskussion wird aus dem Referat in Augustins De civitate dei fassbar, das deshalb im Unterricht die Textgrundlage bildet. Im Fortgang der Reihe wurde die Verwendung der Argumente innerhalb der Argumentation Ciceros und der Augustins erhoben. Für Cicero ist die Gerechtigkeit Ausgangspunkt für die Kritik an der gegenwärtigen Lage des Staates und für einen ideal-traditionellen Gegenentwurf; Augustin setzt dieses Ideal zunächst rein instrumentell ein, um die Krisenhaftigkeit des römischen Staates schon vor Erscheinen des Christentums nachzuweisen (De civitate dei Buch 2). In weiteren Schritten stellt er die Legitimität von Großreichen nachdrücklich in Frage, sowohl hinsichtlich der Ideen religiös-göttlicher bzw. providentieller Fundierung als auch hinsichtlich der Gerechtigkeit von Kriegen (De civitate dei Buch 4). Eine spezifisch christliche Position wird in seiner eigenen Interpretation der Gerechtigkeitsidee greifbar (De civitate dei Buch 19). Gerade die augustinische Darstellung ermöglicht es, gebündelt die römische Selbstsicht zu erfassen und eine exemplarische Kritik zu greifen, die mit modernen Fragestellungen konfrontiert und ergänzt werden kann.--> nach oben Konzeption der UnterrichtsreiheZu Beginn der Reihe wurden in kurzen Zitaten Wesenszüge der römischen Selbstsicht vorgestellt, die sich nicht direkt aus den bisher gelesenen Partien von De re publica ableiten lassen, für die Argumentationssituation aber grundlegend sind: die Selbstsicht als ‚religiosissimi mortales‘, denen die Götter das Weltreich als Lohn geschenkt haben, und die Entwicklung von Kriterien für „gerechte Kriege“, mit denen versucht wurde, die von Rom geführten Kriege zu rechtfertigen. Weiterhin wurden der historische Zusammenhang der Reichskrise(n) des 3. und 4. Jahrhunderts und die Auseinandersetzung Roms mit den Christen wiederholt; hierbei wurden aus der christlichen Apologetik nur einige Schlaglichter gelesen (Tertullian Apologeticum § 40,2; 30,1f.; 25,2, jeweils mit Übersetzung). Die eigentliche Reihe begann mit der Lektüre des Harmoniebildes aus Kapitel 21 des 2. Buches De civitate dei. Die Konzeption der Reihe stellt eine thematisch zusammenhängende Folge von Argumenten zusammen, mit denen Augustin antichristliche Angriffe beantwortet, indem er die römische Selbstsicht, konkret die Reichsideologie mit den Grundzügen der Gerechtigkeit und der göttlich-providentiellen Fundierung, radikal infragestellt. Die Schritte sind im einzelnen: 1. Rom genügt dem von Cicero in De re publica im Munde Scipios formulierten Staatskriterium der Gerechtigkeit nicht, war demzufolge gar kein Staat (De civitate dei 2,21, Zitat von De re publica 2,69, Bezüge auf Buch 3 von De re publica). Augustin erschließt dies mit Bezug auf einen Syllogismus aus De re publica, indem er die Prämisse übernimmt mit einem aus Sallust genommenen Urteil verbindet. 2. Auch in eigener Person trifft Cicero Feststellungen, die auf dieselbe Konsequenz hinauslaufen (civ. 2,21, Zitat von rep. 5,1-2 mit dem Enniuszitat und dem Eingeständnis der ‚res publica amissa‘). Auch dies folgert Augustin syllogistisch. Pagane Vorwürfe, die Christen trügen Schuld am Untergang des Staates, greifen daher nicht. Beide Schritte sind geeignet, die Schlussform des Syllogismus einzuführen und Eigenarten der polemischen Argumentation zu verdeutlichen und zu problematisieren. Bei beiden Schritten wird durchgängig auf zentrale Inhalte der vorangegangenen Unterrichtsreihe zurückgegriffen, v.a. die Staatsdefinition aus rep. 1,39 und auf die Lehre von den erträglichen bzw. unerträglichen Verfassungsformen. 3. Staaten ohne Gerechtigkeit sind nur ausgeuferte Räuberbanden (civ. 4,4 mit der letztlich wohl von Karneades stammenden Seeräuberanekdote aus rep. 3,23f.; 10.-12. Stunde). 4. Die Rückführung unterschiedlicher Großreiche auf die Hilfe nationaler Götter ist logisch inkonsistent (civ. 4,7). Hierbei argumentiert Augustin mit der logischen Figur, implizite Dihäresen nach allen Möglichkeiten hin zu verfolgen und ad absurdum zu führen; seine Ausgangsunterscheidungen müssen rekonstruiert und auf Vollständigkeit und Plausibilität hin überprüft werden (insbesondere im Vergleich mit einer monotheistischen Erklärung, wie Augustin sie bevorzugen würde). Im Unterschied zu den anderen Schritten greift dieser nicht Gerechtigkeitsfragestellungen auf, sondern logische Probleme einer Staatstheologie. Unter den aus De civitate dei ausgewählten Stücken ist dieses sicher eines der voraussetzungsreichsten und musste aus Zeitgründen auch tatsächlich ausgelassen werden. Immerhin wurden aus der Problemstellung Lösungsansätze induktiv entwickelt und am Text nachgewiesen. 5. Großreiche sind in sich moralisch problematisch: auch gerechte Kriege setzen die Existenz von Unrecht in anderen Staaten voraus (civ. 4,15, mit einem gegenüber der in der Philusrede von rep. 3 greifbaren Argumentation des Karneades anderen Akzent. 6. Wenn Gerechtigkeit „jedem das Seine“ bedeutet, ist für den Christen Augustin die geziemende Verehrung des christlichen Gottes impliziert (civ. 19,21). Dies ist die theonome Begründung des in den Schritten 1 und 2 verfolgten Gedankens. Die gewählten Ausschnitte ergeben eine Folge in sich geschlossener und anspruchsvoller Texte, da aus dem riesigen Werk zusammenhängende Motive herausgelöst und zu einem Strang zusammengesetzt wurden. Andere Abschnitte könnten diese Folge ergänzen, z.B. civ. 5,17, die Anerkennung römischer Erfolge als Ansporn zur Überbietung durch die Christen einschließlich einer durch einen spiritualisierten patria-Begriff vergilisch formulierten Märtyrertheologie; außerdem z.B. die Bestreitung eines Rechtskonsenses als Staatsmerkmal in civ. 19,24. Dankbar wegen der Bildhaftigkeit wäre auch die Aufnahme der vergilischen Cacusgestalt in civ. 19,12, aus der Augustin den Frieden als universales Ziel allen menschlichen (politischen) Handelns folgert oder die Friedenskonzeption der Pax-Tafel in civ. 19,13. Der Schwerpunkt der Reihe liegt auf kritischen Einwänden gegen die Selbstsicht der Römer, die aus der Sicht heutiger Rezipienten einen Mitvollzug ermöglichen oder erleichtern. Erst am Ende floss ein speziell theologischer Gesichtspunkt, der den spezifischen Standpunkt Augustins deutlich macht. Der Autor Augustin könnte auch in anderen philosophischen Kontexten herangezogen werden, mit sehr plastisch-polemischen Passagen, etwa der Satire auf den skeptischen Ehebrecher c.Acad. 3,16,35. Sowohl in Hinblick auf die rezeptionsgeschichtliche Relevanz dieses Autors als auch auf die ermutigenden Erfahrungen dieser Reihe, die die Zugänglichkeit dieses Schriftstellers für einen guten Grundkurs mit typischen Schwächen belegen, kann dies nur empfohlen werden.--> nach oben Anlass und Anliegen von De civitate deiEine zentrale Schwierigkeit in der Interpretation von De civitate dei ergibt sich aus dem Begriff von civitas terrena als dem Gegensatz zur civitas dei. Vorstellungen irdischer Staaten müssen hier zunächst ferngehalten werden – ebenso der Gegensatz der (sichtbar-institutionellen) Kirche zum Staat. Die Wirkungsgeschichte des Werkes ist weitgehend von produktiven Missverständnissen geprägt. Zur Wirkungsgeschichte der augustinischen Staats- und Geschichtstheorie Horn, Augustinus 159f., sowie 125f. zu wegweisenden Zügen für die mittelalterliche politische Theorie. Die civitas terrena ist derjenige Personenverband, der – unter Herrschaft Satans – die logisch ausschließende Gegengröße zur civitas dei bildet. Irdische Staaten können beide (v.a. erstere) allenfalls repräsentieren, ohne aber für ihre einzelnen Mitglieder die Zugehörigkeit zu einer der beiden übergeschichtlichen Größen zu determinieren [Schmidt, 77-83, Horn, Einleitung, 13f.]. Die Eroberung Roms durch die Goten (410) war im Empfinden der Zeitgenossen eine säkulare Katastrophe [Demandt, 118. Wlosok, Eroberung 92, dort zusammengestellt die zeitgenössischen Stimmen, bes. Hier. epist. 127,1; 123,16,1.4; in Ez.prol. 1-17 (ed. Glorie CC 1975)]. Zum ersten Mal seit beinahe 800 Jahren (dem Galliereinfall 387/6 v.Chr.) wurde Rom von einer ausländischen Macht erobert. Die aurelianische Stadtmauer war wenige Jahre zuvor noch mit der Widmung Urbi aeternae zum Monument des Selbstvertrauens in der Krisensituation des Reiches (378 Schlacht von Adrianopel) und der christianisierten Romidee geworden [Wlosok, Eroberung 92. Siehe auch ebd. 93-96 zu Zeugnissen für den Glauben an die Ewigkeit Roms in der römischen Dichtung]. Nach der Zulassung des Christentums durch Konstantin hatte die Theologie pagane Vorstellungen göttlichen Schutzes für das Imperium rezipiert und zu einer christlichen Reichs- und Siegestheologie ausgebaut (in verschiedenen Akzentuierungen z.B. Eusebius v. Caesarea, Hieronymus, Orosius). Diese wurde durch die Niederlagen schwer erschüttert. Zugleich konnten Stimmen der heidnischen Reaktion, die durch das Verbot paganer Opfer durch Theodosius von einer symbolischen Mitwirkung am Staatswohl definitiv ausgeschlossen worden waren, die zeitliche Nähe des Falles Roms zu diesem Verbot propagandistisch ausnutzen und den christiana tempora Schuld am Niedergang geben [Horn, Einleitung S. 2-5. Die Schuldzuweisung z.B. Aug. s. 81,9: ‚Ecce, inquit, christianis temporibus Roma perit‘. In dieser Predigt vom Ende des Jahres 410 erschließt Augustin die prinzipielle Vergänglichkeit Roms (deren aktuelles Eintreten er nicht für zwingend hält) aus der Geschöpflichkeit und verweist auf die Gründungslegende Roms, für die der Untergang Trojas wesentlich ist. S. s. 105, dazu den Kommentar von Wlosok, Eroberung S. 126-129]. Man kann vermuten, dass diese Vertreter dem Christentum eher eine Schwächung der „Wehrkraft“ durch die Religion der Feindesliebe als das Heraufbeschwören einer Strafe der erzürnten Götter vorwarfen: civ. 2,5; 4,1.29; ep. 138,3,9-17 (in Aufnahme einer Anfrage des Marcellinus, ap.Aug. ep. 136,2; in diesem Kabinettstück einer irenischen Auseinandersetzung, in modernen Begriffen „Intellektuellenmission“, greift Augustin bezeichnenderweise auf pagane Maximen zurück, die er als Empfehlungen der Feindesliebe umdeuten kann, Sall. Cat. 9,5 und Cic. Lig. 15). Dies würde den pragmatischen Zug der Begründung des Kultes innerhalb einer skeptischen Haltung in Ciceros De natura deorum fortsetzen. In dieser Situation macht sich Augustin an die Vorarbeiten zu den 22 Büchern De civitate dei, die er in den Folgejahren stückweise zwischen 412 und 427 publiziert. Über den aktuellen Anlass weit hinausreichend legt er damit die Summe der lateinischen Apologetik vor, insbesondere was das Verhältnis der Christen zum römischen Staat betrifft [ein conspectus kritischer Äußerungen der Apologeten zum Imperium Romanum Fuchs, Widerstand S. 83-92]. In 10 Büchern will Augustin die Theorien positiver Wirkungen paganen Kults zurückweisen, in den ersten fünf Büchern hinsichtlich diesseitiger Wirkungen irdischen Wohlergehens, in den folgenden fünf Büchern hinsichtlich jenseitigen Glücks (retr. 2,43,1f.). Innerhalb des varronischen Schemas der theologia tripertita sind dies einmal die theologia civilis, also der staatlich-öffentliche Kult, zum anderen die theologia naturalis, die philosophisch geläuterte Gottesvorstellung. Die theologia fabulosa wird keiner eigenen Widerlegung gewürdigt, vielmehr wird der staatliche Kult durch die Verbindung mit der mythologischen Göttervorstellung durchgehend in Misskredit gebracht. Die 12 Bücher der zweiten Werkhälfte entwerfen in Vierergruppen konstruktiv die christliche Heilsgeschichte, konkret Ursprung, historische Entfaltung und angemessenes Ende der beiden civitates (exortus, pro-/excursus, debiti fines, z.B. retr. 2,43,2). Von besonderem Interesse ist hier neben den Büchern der ersten Pentade das erste Buch der letzten Gruppe, in der der Friede als universales Ziel bestimmt wird [Unter Einfluss des stoischen Ideal des Weisen, Horn, Augustinus 123]. Zu einem eschatologisch inspirierten Optimismus und der Vorstellung einer christlichen Politik im engeren Sinn hält er dabei deutliche Distanz [Fortin S. 59, siehe auch S. 61: die Romkritik habe die pagane Aristokratie auf die Inkonsistenzen ihrer Rom-Verehrung hinweisen sollen. Horn (Augustinus S. 114) sieht De civitate dei vornehmlich als Abwehr dieser Reichstheologie; die pagane Kritik habe keine ernsthafte Rolle mehr gespielt, die Ereignisse des Jahres 410 seien nur der Anlass einer grundsätzlichen Klärung. Auch wenn die Augustin weit ins Grundsätzliche ausgreift, wird diese Bestimmung dem Schwergewicht zumal der ersten Bücher nicht gerecht.]. Gerechtigkeit ist für Augustin ebenso wie für Platon und für Cicero in ihren Staatsschriften ein zentrales Thema, gerade im gesamten Buch 4 begegnen immer wieder Motive einer Argumentation zur Gerechtigkeit, einem zentralen Zug der römischen Selbstsicht (vgl. die von den Römern entwickelte Lehre gerechter Kriegsgründe) und der Staatsdefinition in Ciceros De re publica. [Zur Aufnahme des bellum-iustum-Konzeptes in De civitate dei Pollmann S. 28-31; ebd. S. 36f. zur Rezeption von Sallusts Historien im Zusammenhang mit der Kritik an den Eroberungskriegen in civ. 3,10-26. Auch die Charakterisierung der cupido laudis als römischer Zentraltugend in civ. 5,12-15 erfolgt nach Sallust (ebd. S. 37f.). Zur Staatskonzeption und Geschichtsphilosophie Augustins insgesamt Horn, Augustinus S. 111-127. Die Forderung nach Vollkommenheit gehört für Fortin (S.51) zum Begriff des Staates hinzu.] Allerdings drängt Augustin innerhalb der antiken Staatslehre den Anspruch des Staates auf Gerechtigkeit zurück, betont eher den Konsens und weist damit auf den modernen Kontraktualismus voraus. Pollmann in ihrem Resümee zu „Augustins Transformation der traditionellen römischen Staats- und Geschichtsauffassung“ in civ. 1-5, S. 39. Zur Ablehnung der Gerechtigkeit als zentralem Staatskriterium auch Horn, Augustinus S. 118.] In civ. 19,24 formuliert Augustin eine pragmatischere Staatsdefinition, die relativ bessere oder schlechtere Staaten zulässt nach Maßgabe der von ihnen verfolgten Ziele bloß subjektiven Nutzens. [Civ. 19,24: ‚populus est coetus multitudinis rationalis rerum quas diligit concordi communione sociatus, profecto, ut uideatur qualis quisque populus sit, illa sunt intuenda, quae diligit‘. Zu diesem bloß konventionellen Fundament weltlicher Staaten Horn, Augustinus S. 119. Fortin, S. 53.] Gerade die Seeräuberanekdote (civ. 4,4) kann als Kritik an einer rechtsmoralischen Staatsdefinition gelesen werden. Durch die Einbindung in den rechtsmoralischen Zusammenhang verliert die Geschichtskonzeption ihre „identitätsstiftende und rechtfertigende Funktion“ [Pollmann 39], der traditionelle römische Zusammenhang von Staat, Geschichte und moralisch-religiösen Werten wird aufgelöst. Innerweltliche Untergangsängste verlieren ebenso an Bedeutung wie „Identifikations- und Rechtfertigungsmechanismen“. Augustin hilft so, die Voraussetzung zu schaffen, den Untergang des weströmischen Reiches in der lateinischen Theologie- und Geistesgeschichte zu bewältigen (ebd.). In ähnlicher Weise ist der zweite Grundzug römischer Staatsideologie, die Vorstellung der religiösen Grundlegung des Imperium Romanum bzw. eines göttlichen Sendungsauftrags für die Römer, Gegenstand einer durchgängigen Auseinandersetzung. [Siehe civ. 3,14; 4,3.5.13.15.20.28; Fortin S. 41f. Zur Vorstellung eines göttlichen Auftrags Fuhrmann, S. 88 zur augusteischen Zeit, 89f. zum zweiten Höhepunkt dieser Vorstellung im 4. und 5. Jahrhundert.] Dieser Auftrag äußert sich in der Maxime einer gerechten Herrschaft; die vergilische Fassung, „die Unterworfenen zu schonen und die Frevler zu strafen“, [‚Parcere subiectis et debellare superbos‘, Verg. Aen. 6,853, s. civ. 1 praef.; 1,6; 5,12] zitiert Augustin als Leitmotiv bereits in der Praefatio zu Buch 1 und kontrastiert sie mit einem Psalmwort. Für die Geschichtsauffassung Augustins und seine Ablehnung einer Reichstheologie ist die Relativierung Roms durch die Betonung der Abfolge von Weltreichen gegeben, wie sie der Christ auch durch apokalyptische Geschichtsbilder der Bibel (im paganen Bereich z.B. durch Lebensaltervergleiche) gewinnen konnte. [Horn, Augustinus S. 126. Eine Öffnung des geschichtlichen Horizontes nach vorne war damit noch nicht gegeben, wohl aber die innere Lösung vom römischen Staat.] In für Augustin und sein Vorgehen in De civitate dei typischer Weise folgert Augustin den Niedergang des römischen Staates zunächst nur auf dem Boden paganer Gewährsleute und Zitate (Bücher 2-4), dann auch aus einer explizit christlich-theologischen Position (Buch 19). [Pollmann 32-34 zu Angriffen auf den Staatskult; zum Friedensbuch insgesamt Geerlings, S. 211-231; zu Augustins Stellungnahme zum Krieg ebd. S. 225-228.] Die Stellung Augustins zum Krieg ist nicht einheitlich: einerseits ist Krieg die fundamentale Gegenmacht zur Ordnung, andererseits akzeptiert er die Theorie des gerechten Krieges, der die Ordnung vorbereite. [C.Faust. 22,73-79. Dazu Horn, Augustinus S. 120, Geerlings, S. 217.] Ähnlich wie in der Beurteilung der Gerechtigkeit von Staaten lässt sich bei Augustin neben der rigoristischen Absolutheit der polemischen Argumentation auch eine pragmatische Linie feststellen. Bei der Wiedergabe von Zitaten und den z.T. sehr stark raffenden Paraphrasen fällt Augustins differenziertes Bewusstsein für die Markierung von Zitaten auf. Bei vielen Zitaten ist Augustin auffallend genau: Er führt Sprecherfiguren und Buchzahlen an, gestattet damit den inneren und äußeren Nachvollzug seiner Argumentation am Bezugstext (civ. 2,21, Zitate aus den Dialogpartien des dritten Buches und dem persönlichen Proömium von De re publica). Wo der Palimpsest die Überprüfung zulässt, folgt Augustin dem Wortlaut – mit wenigen Änderungen, die meist der Einfügung dienen (z.B. die Überführung in indirekte Rede). Als Nebenprodukt ergibt sich für uns dadurch eine hinreichende Vorstellung über den Inhalt der verlorenen Partien des 2. und 3. Buches De re publica. Wo Augustin argumentativ darauf angewiesen ist, blendet er den Zusammenhang der Zitate aus, nimmt unvermerkt Uminterpretationen vor etc.: z.B. die tendenziöse Bezeichnung ‚immundi daemones‘ in civ. 19,21, die christliche Füllung des ciceronischen Gedankens ebd.; auffällig ist ferner die Montage des Gedankenganges im 2. Teil von civ. 2,21, sowie die Umdeutung der Zitate durch Transposition in andere Gattungen.--> nach oben LiteraturP.Brown, Augustine of Hippo. A Biography. London 1967; dt.: Augustin von Hippo. Eine Biographie. Frankfurt 1973A.Demandt, Die Auflösung des römischen Reiches, in: ders. (Hg.), Das Ende der Weltreiche. München 1997, S. 22-47 ders., Geschichte der Spätantike. Das römische Reich von Diocletian bis Justinian. 284-565 n.Chr. München 1998 (Beck’s historische Bibliothek) E.L.Fortin, Justice as the Foundation of the Political Community. Augustine and his Pagan Models. In: C.Horn (Hg.), Augustinus. De civitate dei. Berlin 1997 (Klassiker auslegen 11), S. 41-62 H.Fuchs, Der geistige Widerstand gegen Rom in der antiken Welt. Berlin 1964 ders., Augustin und der antike Friedensgedanke. Untersuchungen zum neunzehnten Buch der civitas dei. Berlin, Zürich 21965 M.Fuhrmann, Die Romidee der Spätantike: HZ 207 (1968), S. 529-561 W.Geerlings, De civitate dei XIX als Buch der Augustinischen Friedenslehre. In: C.Horn (Hg.), Augustinus. De civitate dei. Berlin 1997 (Klassiker auslegen 11), S. 211-233 E.Heck, Die Bezeugung von Ciceros Schrift De re publica. Hildesheim 1966 (Spudasmata 4) C.Horn, Augustinus. München 1995 (Beck‘sche Reihe 531: Denker) ders., Einleitung. In: ders. (Hg.), Augustinus. De civitate dei. Berlin 1997 (Klassiker auslegen 11), S. 1-24 G.O’Daly, Augustine’s City of God. A reader’s guide. Oxford 1999 K.Pollmann, Augustins Transformation der traditionellen römischen Staats- und Geschichtsauffassung (Buch 1-5). In: C.Horn (Hg.), Augustinus. De civitate dei. Berlin 1997 (Klassiker auslegen 11), S. 25-40 E.A.Schmidt, Zeit und Geschichte bei Augustin. Heidelberg 1985 (SbHAW, phil.-hist. Kl., 1895,3) + W.E.Seitz, ‚Senescens mundus‘. Kontrasttexte zur Romideologie: Anregung 32 (1986), S. 176-183 A.Wlosok (Hg., Übers., Einl.), Die Eroberung Roms durch Alarich in Äußerungen des Hieronymus und des Augustinus. Eine Textsammlung. In: Landesinstitut für Erziehung und Unterricht Stuttgart (Hg.), Das Bewußtsein von Krise und Kontinuität im antiken Denken. Dokumentation der Vorträge und Arbeitskreise, 16. Ferienkurs für Lehrer der alten Sprachen. Stuttgart 1995 (Materialien Latein 59), S. 88-130 + dies. (Hg.), Rom und die Christen. Lateinische Quellentexte zur Auseinandersetzung zwischen Christentum und römischem Staat. Stuttgart 1983 dies., Rom und die Christen. Zur Auseinandersetzung zwischen Christentum und römischem Staat. Stuttgart 1970 (AU Beiheft 1 zu Reihe 13) --> nach oben |
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